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Oh, diese Menschen

(Hier findest Du einen „Mit Gott am Tisch“-Text. Folgende Szene: ein großer Tisch, zwei Stühle, eine silberne Platte. Das ist das Grund-Setting. Mal ist der Tisch chaotisch, mal leer, mal ist alles liebevoll dekoriert. Die beiden Stühle sind immer für Gott und mich reserviert. Hier bin ich eingeladen, mit Gott über das zu sprechen, was mir grade auf der Seele brennt. Und auf dem silbernen Tablett darf ich jedes Mal einen Gegenstand platzieren, der symbolisch für das steht, worüber ich dringen mit Gott sprechen möchte. Und nun fühl Du Dich herzlich eingeladen, dem Gespräch zwischen Gott und mir zu lauschen!)

Als ich heute an den Tisch komme, ist er erstaunlich aufgeräumt, schlicht aber dennoch liebevoll gedeckt und auf der silbernen Platte steht ein Glas Wein.

Ich lasse das Kriegsbeil, das ich eigentlich zum Thema machen wollte etwas beschämt hinter meinem Rücken verschwinden. Sieht das Setting, in das Gott mich hineinführt doch wesentlich schöner und einladender aus als das, was ich selbst kreieren wollte.

Ich setze mich vorsichtig auf meinen Stuhl, denn irgendetwas macht mich heute besonders neugierig aber auch etwas skeptisch.

„Schön, dass Du da bist!“ höre ich.

„Ja, finde ich auch.“ sage ich.

„Wenn Du wüsstest…“ denke ich.

„Was ist los mit Dir?“

„Ach, nichts…!“

Gott schaut mich an. Nicht fordernd und auch nicht strafend. Aber doch wissend, dass ich grade nicht die Wahrheit sage. Sein einladender Blick macht mir Mut, meine bisher verborgen gewähnten Karten auf den Tisch zu legen – im wahrsten Sinne des Wortes.

„Ich bin sauer, wütend, enttäuscht, genervt, gereizt, entmutigt – irgendwie von allem etwas. Es gibt Tage, an denen man so guten Mutes und voller Freude aufsteht. Und das hält genau so lange, bis man auf andere Menschen trifft. Boah, wenn ich könnte, wie ich wollte, dann würde ich manchen… aber das wäre nicht gut. Ich bin jetzt lieber still.“

„Warum?“

„Weil das, was ich sonst denken, sagen und tun würde, ganz sicher für jemanden, der eigentlich sein Leben nach Deinen Maßstäben gestalten will, nicht vertretbar wäre und auch die schöne Atmosphäre hier am Tisch zerstören würde.“

„Aber in Dir ist es nicht still, oder?“

„Nein…“

„Meinst Du wirklich, wir könnten einen wertvollen und hilfreichen Austausch haben, wenn in Dir die Wellen an alle Seelenwände peitschen?“

„Nein…“

Wieder ist es Gottes Blick – eine Mischung aus Neugier, Verständnis, Mitleid und auch einer Prise Schalk – der mich motiviert, ganz ehrlich zu werden.

„Weißt Du, Gott, ich will ja echt nichts gegen Deine Menschen sagen. Ich weiß, dass Du Dir mit jedem einzelnen viel Mühe gegeben hast. Es sind wirklich viele Goldstücke dabei, für die ich sehr dankbar bin. Und im Großen und Ganzen komme ich ja sogar mit denen ganz gut klar, die ihre Schokoladenseiten eher geschickt zu verbergen wissen. Aber es gibt so ein paar Exemplare, die treiben mich in den Wahnsinn. Das sind so egozentrische, rechthaberische, streitlustige und hobbylose Ausgaben, die es sich scheinbar auf die Fahnen geschrieben haben, mir unnötig das Leben schwer zu machen.“

„Was würdest Du denn mit ihnen, wenn Du könntest, wie Du wolltest?“

„Willst Du das wirklich wissen?“

„Hätte ich sonst gefragt?“ Gottes Blick ruht auf mir.

„Naja. Ich würde ihnen mal kräftig die Meinung sagen. Ihnen den Spiegel vorhalten. Ihnen von meinem Leben und dem darin bereits reichlich enthaltenen Stress erzählen, der eigentlich gar keinen Raum für sie lässt.“

„Und dann?“

„Dann würde ich hoffe, dass sie mich einfach komplett in Ruhe lassen.“

„Das glaube ich Dir nicht.“

„Wieso?“

Gott macht eine kleine Pause, so, als würde er seinen Worten ein extra Gewicht verleihen wollen. „Weil ich Dich auf Beziehung hin angelegt habe. Natürlich möchtest Du nicht das Opfer von Menschen sein, die an Dir ihre Lust auf Feindseligkeit oder Selbstgerechtigkeit befriedigen. Aber Menschen die Tür vor der Nase zuzuschlagen, um sie endgültig aus Deinem Leben auszuschließen, ist im Letzten auch nicht, was Du willst. Stell Dir mal eine ganz konkrete Person vor, die Dir in letzter Zeit einen Tag vermiest hat, stell Dir vor wie Du sie ganz ehrlich mit Deinen Gefühlen und Deinem Ärger konfrontierst und dann male Dir die Reaktion Deines Gegenübers aus, die Dir am liebsten wäre. Und?“

„Hm. Schwierig. Erwarten würde ich, dass der andere entweder völlig sprachlos ist oder zurück schießt oder mir die Tür vor der Nase zuschlägt. Erhoffen würde ich, dass er mich versteht, zugibt, dass ich mit meiner Sicht der Dinge völlig richtig liege und sich danach entschuldigt und ändert.“ Mein Gehirn versucht relativ erfolglos, sich eine solche Begebenheit vorzustellen.

„Das klingt doch schon ganz anders!“

„Ja, das stimmt. Aber dass das passiert ist genauso wahrscheinlich, wie dass Einhörner für den Straßenverkehr zugelassen werden.“

„Was glaubst Du denn, was der andere sich wünscht und welche Motive sich hinter seinem Verhalten verbergen?“

„Och nö. Müssen wir das Spiel wirklich auch andersherum spielen? Diese Menschen machen sich selbst doch schon dauernd zum Zentrum der Welt. Muss ich das jetzt auch noch tun?“

„Nur kurz. Danach widmen wir uns wieder ausgiebig Deinem völlig selbstlosen Weltbild.“

„Danke. Ich habe die Ironie in Deiner Stimme sehr wohl wahrgenommen… Na gut. Also, der andere wünscht sich wahrscheinlich dasselbe von mir: ein offenes Ohr, Verständnis, eine positive Reaktion. Es gibt vermutlich in seinem Leben ein Bedürfnis oder eine Not, die ihn zu seinem Verhalten veranlasst. Sein Kritisieren, Sticheln, Nerven, Beschuldigen, Korinthen kacken oder was auch immer ist demnach nur der Kanal, über den er versucht, ein Anliegen zu kommunizieren oder eine Leere zu kompensieren. Ach man, dieses „sich in den anderen hinein versetzen“ macht wirklich nicht viel Spaß. Der eigene Ärger wird plötzlich so fad. Dabei hat er sich eben noch so richtig und vor allem auch so angenehm angefühlt.“

In Gottes Augen blitzt wieder ein bisschen seines einzigartigen Schalks auf.

„Du darfst Dich gerne auch wieder ärgern!“

„Als ob Du das ernst meinen würdest. Und als ob Du nicht wüsstest, dass das jetzt nicht mehr geht und dass das jetzt auch lang nicht mehr so viel Spaß macht!“

Gott lenkt meine Aufmerksamkeit mit einer kleinen Handbewegung zurück auf die dezent gedeckte Tafel.

„Schau Dir mal diesen Tisch an. Gefällt er Dir?“

„Er hat etwas Angenehmes. Ruhiges. Schlichtheit, die aber zum Verweilen einlädt. Und irgendetwas lässt mich ahnen, dass Du heute noch etwas Unerwartetes decken wirst.“

„Ich wünsche Dir, dass Du Dir das Bild dieses Tisches einprägst und ebenso das Gefühl, das er Dir vermittelt. Erwartungsvolle Ruhe und verheißungsvolle Einfachheit. In Psalm 23 beschreibt David einen Tisch, der ihm von mir im Angesicht seiner Feinde gedeckt wird. Genau so ein Tisch ist hier gemeint. Kein Tisch, der überladen ist von Angeboten und auch kein Tisch, der leer ist. Es ist ein Tisch, der die Gäste einlädt, der ihnen Gutes anbietet und der Raum lässt, miteinander in eine Begegnung zu kommen, die sogar Feindschaft und Rivalität überwindet.“

„Ich muss kurz etwas einwerfen: so sehr diese Menschen mich auch nerven – als Feinde würde ich sie nicht bezeichnen…“

Gott nickt ruhig. „Feind ist ein starkes Wort, ich weiß. Im Kopf verbindet sich damit Hass und Krieg. Natürlich – und zum Glück – geht es bei Dir nicht so weit. Aber dennoch ist der andere auch kein Freund. Kein Gefährte. Kein Mitstreiter. Und vielleicht wird er das auch nie. Aber wenn Du Dir vor oder auch während einer Begegnung mit einem schwierigen Menschen das Bild des Tisches zurück in Deinen Kopf und in Dein Herz holst, dann kann Euer Zusammentreffen dadurch vielleicht anders aussehen. Du brauchst nicht kämpfen, Du darfst Dich – zumindest innerlich – setzen. Du brauchst keine Angst haben zu kurz zu kommen, denn ich werde Dich versorgen. Du  musst nichts lösen, weil Du immer noch mit dem Gruß aus der Küche rechnen darfst.“

Im selben Moment fällt mein Blick erneut auf das silberne Tablett mitten auf dem Tisch. Entweder habe ich eben nicht richtig hingeschaut oder Gott hat mal wieder in seine Trickkiste gegriffen. Auf jeden Fall haben sich zu dem Glas Wein noch ein frisches Baguette, verschiedene Käsestücke und eine edle Salami gesellt. Damit hatte ich nicht gerechnet. Natürlich nicht. Wie lecker! Und Gott schmunzelt.

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Elena Schulte

Elena Schulte

lebt mit ihrer Familie im südlichen Rheinland. Sie ist beim Missions- und Bildungswerk "Neues Leben e.V." angestellt und arbeitet als Speakerin und freie Autorin. Ihr Herz brennt dafür, Frauen herauszufordern, mitten in ihrem Leben Jesus zu begegnen und mutig ihren Platz in seiner Geschichte mit dieser Welt einzunehmen. Dafür nutzt sie ihre Liebe zur Kreativität, zur Schönheit und zum Umgang mit Worten.

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