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ALL IN

„Ich gehe ‚all in‘!“ Dieser Satz ist mir in den vergangenen Wochen immer wieder als Statement an den unterschiedlichsten Stellen begegnet. All in. Ich halte nichts zurück. Bringe mich voll ein. Mit allem, was ich bin und habe. Ganz ehrlich: ich liebe solche Sätze. Halbe Sachen mag ich nämlich nicht, deswegen ist „all in“ ein Lebensmotto von mir. Dachte ich zumindest – bis mir leise Zweifel kamen.

All in. In meinem Kopf sah ich mich selbst, wie ich mutige Schritte in die Arena des Lebens wage, alles auf eine Karte setze, mich sichtbar mache, zu meiner Verletzlichkeit stehe, kämpfe, falle, aufstehe, siege. Und gleichzeitig ertönte Jubel von den Rängen, mutmachende Zurufe, anerkennende „Ohs“ und „Ahs“. Die Crowd feierte mein „all in“ und hatte auch ein wenig Respekt vor meinem Mut und meinem dadurch erreichten Sieg.

All in. Schön, wenns so laufen würde.

Aber dann schaue ich mich und mein Leben an. Ganz ehrlich: am „in“ fehlt es mir nicht so sehr. Damit meine ich: ich wage gerne etwas. Ich bin verhältnismäßig mutig, probiere Neues aus, liebe Projekte, habe immer Ideen und kann auch (bedingt) damit umgehen, wenn mal was nicht so klappt.

Viel herausfordernder finde ich das „all“. Denn ich meinem Traum von der mutigen und waghalsigen Kämpferin in der Lebensarena bin ich zwar menschlich aber doch irgendwie heldenhaft. Gutaussehend (zumindest habe ich weder Pickel noch Kilos zu viel auf den Hüften). Frei von Gefühlsschwankungen (außer positiven). Bereit (weder müde noch genervt). Fokussiert (ohne Handy in der Hand und nicht von Kleinigkeiten unterbrochen). Gefordert (aber nicht überfordert).
Aber im wahren Leben sind die Dinge IN den Klammern sehr wohl Teil der Realität und gehören zu meinem „all“ dazu. Um die unheldenhafte Liste noch zu vervollständigen: ich bin ungeduldig, ich weine, ich motze andere an, ich habe Angst, ich pople in der Nase, ich streite mit meinem Mann, ich hasse Haushaltstätigkeiten, ich bin perfektionistisch, ich trage „Altlasten“ aus meiner Kindheit mit mir herum, ich scheitere an meinen Ansprüchen, ich sorge mich, ich verzage. Und auch das sind maximal Auszüge der ungleich längeren Liste negativer Eigenschaften und Details meines Lebens und Charakters.

Aber das ist die einzige „Heldin“,
die mir für mein ‚all in‘ zur Verfügung steht.

All in. Kann es sein, dass wir gerne ‚all in‘ gehen würden, wenn das ‚all‘ unsere schlechten Seiten ausklammern würde? Denn wer will den gerne einen Film sehen oder besser noch der Hauptdarsteller darin sein, wenn die Szene sich wie folgt abspielt: ich stolpere in die Arena, unsportlich und ein wenig ängstlich. Voller Ungeduld mit mir selbst fluche ich leise vor mich hin und setze zur ersten Tat an. Aber irgendwie will mir heute nichts so gelingen, wie ich es gern hätte und so rollen Tränen über meine Wangen. Ich zweifle an mir und an meiner Bestimmung und ärgere mich über mich selbst. Wer hatte ich eigentlich gedacht, wer ich bin, um mich hier zu zeigen??? Von den Rängen nehme ich irritierte und kritische Blicke wahr. Meine Performance ist wirklich keinen Applaus wert und mit verächtlichen Bemerkungen verlassen die ersten Zuschauer die Arena.

All in. Bin ich noch dabei, wenn das Leben genau SO aussieht? Die zuletzt beschriebene Szene ist überspitzt – und dennoch nicht unrealistisch. Denn ich bin weit entfernt von Heldentum im Hollywood-Sinn. Ich bin versucht an dieser Stelle davon zu schreiben, wie ich an meinen Schwächen und Makeln arbeite. Wie ich lerne, wachse und reife. Wie ich sie Gott hinlege und ihn um Veränderung bitte. Damit ich ihm ähnlicher werde. Und wo ich überall schon „besser“ werden durfte.
All das wäre sicher richtig. Wichtig. Hilfreich. Und dennoch wage ich heute etwas anderes und gehe damit „all in“.

Ich möchte Dir (und mir!) heute nur eine einzige Frage stellen:

Was wäre, wenn DEINE Geschichte,
DEINE Arena,
genau den Menschen braucht,
der Du HEUTE bist?

Mit allen Schwächen, Zweifeln, Grenzen, Herausforderungen, Tränen. Aber ebenso auch mit Deinen nur Dir eigenen Stärken, Hoffnungen, Träumen, Plänen, Werten. Die gesamte Mischung aus Dir. Was wäre, wenn es gar nicht darum ginge, so zu werden, wie man es sich wünscht oder wie man denkt, dass es richtig sei, sondern zunächst erst mal so zu sein, wie man ist – und das im vollen Umfang zu akzeptieren? Verletzlich, ehrlich, echt. Und damit wirklich ‚all in‘ zu gehen – mutig und in dem Wissen, dass das ‚all‘ eben nicht nur Gutes umfasst, aber dass das vermeintlich Schlechte oder Schwierige eben Teil des Ganzen ist.

Meine Finger und mein Herz zittern ein wenig, während ich das schreibe, denn mir selbst sind diese Gedanken so fremd. Darf ich mich gut finden, auch wenn ich doch gar nicht gut bin? Mich einfach mal akzeptieren? Die Bibel legt einen so viel höheren Maßstab an mich. Gott selbst spricht von meiner Heiligung. Wie könnte ich da gelassen annehmen, wie ich bin?

Jesus antwortete: „Ich bin für die Sünder gekommen und nicht für die, die meinen, sie seien schon gut genug.“ (Mat. 9:14, NLB).

Jesus hat sein voll umfassendes JA über mir ausgesprochen. Und das schon heute.

Nicht geknüpft an Bedingungen, sondern verbunden mit unendlicher Liebe, unbegreiflicher Gnade, unbeschreiblicher Schönheit. Er kennt meine dunklen Winkel noch viel besser als ich, leuchtet sie sogar aus, erschreckt aber nicht darüber und wiederholt sein JA. Und wenn er es tut – dann darf ich es doch auch, oder?

Ich glaube, diese so schwierige Sache mit der Selbstannahme ist der einzige Weg, schon heute ‚all in‘ zu gehen und es nicht erst auf einen Tag x in der Zukunft zu verschieben, wenn ich so oder so geworden bin oder das oder das geschafft habe. Wenn ich davon überzeugt bin, dass ich ‚nicht richtig‘ bin, dann werde ich es nicht wagen, beherzt in die Arena des Lebens zu treten. Dann werde ich mich zurückhalten und weder in meinem Leben noch in meinem Glauben alles auf eine Karte setzen.

Ich bleibe dabei: ‚all in‘ ist mein Lebensmotto und soll es noch mehr werden. Und zu ‚all‘ darf alles dazu gehören. Auch, wenn es anders vielleicht hübscher, heroischer, ansehnlicher wäre. Aber weil es einfacher und mit weniger nicht geht. Das schließt das Wort ‚all‘ ja selber aus. Und ich träume davon, wie meine manchmal unbeholfene, wenig professionelle und aber immer mutige und authentische Performance andere Menschen dazu bewegt, von ihren Zuschauerplätzen aufzustehen, mutige Schritte zu wagen, sich sichtbar zu machen und mit vielen anderen zusammen in der Arena des Lebens eine Vorstellung zu geben, die echter, großartiger und gottgefälliger nicht sein könnte!

(dieser Text ist inspiriert von Theodore Roosevelts Rede „The man in the arena“)

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Elena Schulte

Elena Schulte

lebt mit ihrer Familie im südlichen Rheinland. Sie ist beim Missions- und Bildungswerk "Neues Leben e.V." angestellt und arbeitet als Speakerin und freie Autorin. Ihr Herz brennt dafür, Frauen herauszufordern, mitten in ihrem Leben Jesus zu begegnen und mutig ihren Platz in seiner Geschichte mit dieser Welt einzunehmen. Dafür nutzt sie ihre Liebe zur Kreativität, zur Schönheit und zum Umgang mit Worten.

2 Antworten

  1. Wow! Und wiedermal staune ich über Gott. Erst vorgestern hatte ich ein Gepräch über all in und wie es jeden Tag auch immer von meinem Gefühl abhängt und dann kommt dein Text und beantwortet meine Fragen an Gott zumindest teilweise. Gott ist einfach gut.

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